THEMEN

Flux Richtung

Aus der Sicht der Besucher war eines der wichtigsten Ziele der Ausstellung die Anregung zum Überdenken des Verhältnisses von Mitteleuropa zu der Donau. Die entlang des Ufers führenden Autobahnen haben uns von dem Wasserstrom abgeschnitten, welcher früher eine wichtige Voraussetzung für den Lebensunterhalt und für die beliebtesten Freizeittätigkeiten war. Der lebende Kontakt zum Wasser ist heute fast völlig verschwunden. Die Donau veränderte sich somit in dem mitteleuropäischen Bewusstsein zu einer einfachen Metapher. Ziel der Ausstellung ist, die Besucher auf interaktive und patchworkartige Weise daran zu erinnern, dass die Donau nicht nur ein vergessenes Allerweltsding oder irgendwelche verbindende (und/oder trennende, abgrenzende) Metapher ist, sondern auch lebendes und lebensnahes Wasser und Wasserstrom. Vielfarbig, vielsprachig und vielfältig ist sie, genauso, wie die für sie veranstaltete Ausstellung.

Ein Fluss, über den wir so früher, wie auch heute viel nachdenken, den wir mit zahlreichen Eigenschaften und Metaphern bekleiden, über den wir aber doch zu wenig wissen – nur der Stromlauf ist das, was für alle bekannt ist. Mit der variablen Vorführung von Epochen, Schauplätzen, Farben und Kunstarten wird dem Besucher verdeutlicht, dass auch die Donau ständigem Wechsel ausgesetzt ist. Was heute in den Städten als ein Kanal erscheint, der in einen Stein- und Betontrog gezwungen wurde, ist immer noch ein lebendiger Fluss. Wie in jedem Fluss, so sind auch im „Bildfluss“ häufig Wirbel anzutreffen. Die Wirbel des „Bildflusses“ (die spektakulären und untrivialen Interieure), die den Besucher schon in der Pressburger Ausstellung sozusagen angesaugt haben. Zu nennen sind hier die von den Glasnegativen des in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts fahrenden Schiffskapitäns Johann Eilingsfeld gefertigten Serien, Kunstfotos von V. Benesh, Ernő Vadas oder Kálmán Szőllőssy mit der Donau als Gegenstand, die vor und nach dem 2. Weltkrieg in schwarz-weiß gedrehten Wochenschauen, der erste große, farbige Dokumentarfilm mit Bildern entlang der Donau, oder der Amateurfilm aus Pressburg vom jüngsten Hochwasser in 2006. Die Bilder des Bildflusses – ob Stehbilder oder bewegte Bilder, in Farbe oder schwarz-weiß, von namhaften Künstlern oder namenlosen Amateuren, vom Ufer, Schiff oder Flugzeug (oder gerade von einem Satelliten) geschossen, ob sie ein friedliches Stillleben oder gerade ein aufgewühltes Hochwasser darstellen – bringen immer den selben Fluss in menschliche Nähe. Die Räume der Ausstellung stellen das vielfältige Gesicht des Flusses auf mehreren Ebenen, in drei inneren Räumen dar. Vor den Besuchern breitet sich ein echter, eigenartiger Bildfluss aus; durch alte Karten, anhand von Satellitenaufnahmen erstellte Animationen, Amateur- und Kunstfotos sowie Filme werden die drei vergangenen Jahrhunderte des alterslosen Stromes wachgerufen.

Die Ausstellung – wie die Donau selbst vor den Flussregelungen – hat viele „Arme“. Irgendwo, in einem bestimmten Arm schaltet sich der Besucher in den Bildfluss ein. Man sieht immer das Gleiche, aber aus verschiedenen Aspekten und auf verschiedenen Kunstarten: die Donau. Die betonte, unsterile Installation bietet dem Besucher die Möglichkeit, aus mehreren thematischen Räumen zu wählen: abhängig davon, ob er sich ausruhen, sich setzen oder weiterschiffen möchte. Die Ausstellung hat auch einen weiteren Teil: die Fassade außerhalb des Ausstellungsraumes. Die Archivbilder dienen zugleich der Erregung der Aufmerksamkeit und als Einleitung zu den Ausstellungsräumen. Mit dieser Lösung werden nicht nur die dem Fluss entfremdeten Personen, sondern auch die im Schloss angekommenen Touristen angesprochen und zu den Schauplätzen der Ausstellung geleitet.

Der Bildfluss dieser Ausstellung nährt sich aus zahlreichen Quellen. Er wurde in einer richtigen internationalen Donau-Kooperation zusammengestellt. Die erste Bildfluss-Ausstellung ist das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen dem Slowakischen Nationalmuseum, dem Städtischen Museum Pressburg, dem Museum der Karpatendeutschen, dem Museum der Ungarischen Kultur in der Slowakei, dem Museum der Donaugegend Komárom, dem Donaumuseum Esztergom, dem Ignác-Tragor-Museum Vác, dem Károly-Ferenczy-Museum Szentendre, dem Dorottya-Kanizsai-Museum Mohács und der Wissenschaftlichen Universität Pécs (sowie mit Material aus den Filmarchiven des Ungarischen Nationalen Firmarchivs, des Archivs des Ungarischen Fernsehens, des Slowakischen Nationalen Filminstituts und des Tschechischen Nationalen Filmarchivs Prag).

Die Ausstellung ist nicht nur interaktiv, sondern auch dynamisch, was in diesem Fall bedeutet, dass die Tafeln bei jeder Gelegenheit dem Standort der Ausstellung angepasst sind. Wie die Bilder zeigen, kann man in diesem Fluss baden, Schiff fahren, Fischfang treiben, angeln, Gold waschen, mit Sandsäcken dagegen kämpfen, oder gerade in einen Betontrog zwängen. Etwas kann man damit gewiss nicht machen: sich aneignen oder total verfremden. Die Initiatoren der Ausstellung haben auch im Kampf gegen Aneignung und Verfremdung versucht, die Donau wieder als Fluss zu definieren. Die Donau der Ausstellung lenkt das Denken der Besucher in den teils auseinander gehenden, teils sich vereinigenden Zweigen der Ausstellungsräume in ein gemeinsames Flussbett, indem sie als lebendiger Fluss definiert wird und in Form eines Bildflusses erscheint.

Die Ausstellung sammelt und systematisiert im Rahmen der vier Themen die Bilder, Fotos, Gegenstände, welche mit der Donau verbunden sind. Das erste Thema beschäftigt sich mit den Landesaufnahmen von Donau. Das zweite Thema stellt verschiedene Gesichter der Donau mit Hilfe von Fotos dar. Im Rahmen des dritten Themas werden bewegliche Archivbilder des Flusses übertragen. Das vierte Thema ist aus dem Projekt „Erbschaft“ ausgewählt, wo einfache und große, persönliche aber auch öffentliche Sachen zugleich vorgestellt werden.



Péter Tóth G. / Veszprém: Laczkó Dezső Museum
Tamás Kende / Szentendre: Ferenczy Károly Museum
Alexander Papp, jr. / Pressburg: SNM — Das Museum der ungarischen Kultur in der Slowakei
Rastislav Fil’o / Pressburg: SNM — Das Museum der Kultur der Karpatendeutschen